Tollwut

Impfpräventabel: Ja

Tollwut, auch Lyssa oder Rabies genannt, ist eine seit dem Altertum bekannte Krankheit; sie wurde aber erst in der Neuzeit als virale Zoonose erkannt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben weltweit jährlich rund 59.000 Menschen an Tollwut. Besonders stark verbreitet ist das Virus in Indien, Thailand, tropischem Afrika, Mittel- und Südamerika. Die Länder Australien, Neuseeland, Japan sind tollwutfrei. Für in Deutschland lebende Menschen bestehen gegenwärtig erhöhte Infektionsrisiken fast ausschließlich bei Reisen in Länder mit endemischen Vorkommen der Tollwut. Die Ansteckungsgefahr ist stark abhängig vom Reiseland und der Reiseart. Die größte Gefahr besteht in Südostasien, vor allem für Rucksackreisende und solche Personen, die sich länger in ländlichen Gegenden aufhalten. Aber auch freilaufende Hunde in Städten können eine Gefahr darstellen. Reisende sollten daher vor allem darauf achten, dass sie nicht von Wildtieren oder Hunden gebissen oder geleckt werden. Eine Infektionsquelle sind aber auch Tiere - vor allem Hunde - die aus dem Ausland importiert werden.
Erreger der Tollwut sind neurotrope Viren der Familie der Rhabdoviren, Genus Lyssavirus, einsträngige, umhüllte RNA-Viren. Lyssaviren sind relativ widerstandsfähig gegenüber Kälte, jedoch empfindlich gegenüber Wärme und Detergentien. Innerhalb des Genus Lyssaviren gibt es verschiedene Virusspezies wie z. B. das klassische Rabiesvirus.
In 99 % der menschlichen Tollwutfälle wird RABV durch Hunde und andere Caniden übertragen. Durch die COVID-19-Pandemie scheint es möglich, dass es durch einen Rückgang der Kontrollmaßnahmen zu einem Anstieg der Tollwutfälle kommen kann; erste Berichte hierzu liegen bereits vor. In Tropen und Subtropen sind Nachweise von Tollwut beim Affen selten, humane Todesfälle außerhalb Brasiliens Raritäten. Die Übertragung von Lyssaviren von Fledermäusen auf den Menschen ist prinzipiell genauso gefährlich, wie der klassische Fuchstollwut. Daher kann auch für Reisende das Aufsuchen von Fledermaushöhlen eine Tollwut-Infektionsgefahr darstellen.
Bei Kontakt zu Fledermäusen ist grundsätzlich eine postexpositionelle Prophylaxe entsprechend der STIKO-Empfehlung durchzuführen.
Der Mensch infiziert sich meist über den Speichel eines mit dem Tollwutvirus infizierten Tieres. Die Übertragung kann durch eine Bissverletzung oder über Wund- bzw. Schleimhautkontakt mit dem infektiösen Speichel erfolgen. Möglich, aber sehr selten, ist eine Infektion durch Inhalation virushaltiger Aerosole oder eine Übertragung von Mensch zu Mensch durch Transplantation infizierter Organe. Eine Tollwutansteckung durch den Verzehr von rohem Fleisch oder tierischem Gewebe wurde beim Menschen bisher nicht mit Sicherheit nachgewiesen. In Vietnam waren 2 Männer an Tollwut gestorben, die zuvor einen Hund bzw. eine Katze zubereitet und gegessen hatten; allerdings erfolgte kein Virusnachweis in den Resten der verzehrten Tiere und mehrere Personen hatten von den gleichen Tieren gegessen und waren gesund geblieben.
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 3 – 8 Wochen, selten kürzer als 9 Tage, in Einzelfällen Jahre.
Die Krankheit beginnt mit unspezifischen Prodromalsymptomen. Nach 2 - 10 Tagen zeigen sich dann deutliche Zeichen einer Enzephalitis mit motorischer Unruhe, Photo- und Hydrophobie, Schluckbeschwerden, tonischen Krämpfen und Somnolenz. Auch ein zunächst depressives Verstimmungsbild kann eine besondere Verlaufsform der Tollwut sein, ebenso wie eine rein paralytische Form mit der Symptomatik eines Guillain-Barré-Syndroms. Tollwut verläuft in der Regel tödlich, sobald typische Krankheitszeichen aufgetreten sind.

Der einzige Weg zur Verhinderung einer möglichen Tollwuterkrankung ist die Impfung bzw. - nach entsprechender Exposition - die simultane Gabe von Impfstoff zusammen mit speziellem Immunglobulin. Bei den modernen Impfstoffen handelt es sich um inaktivierte Tollwutviren, die auf Zellinien gezüchtet wurden. In Deutschland stehen zwei Impfstoffe zur Verfügung, hergestellt in Vero-Zellen (= Nierenzellen der Westlichen Grünmeerkatze) bzw. auf purified chick embryo cells = PCEC-Impfstoff. Beide Impfstoffe sind sehr gut verträglich. Man unterscheidet zwischen prä- und postexpositioneller Impfung.

Präexpositionelle Impfung
Die präexpositionelle Impfung ist in Deutschland besonders gefährdeten Personen zu empfehlen, z. B. Tierärzten, Jägern, laborpersonal etc. Bei Reisen in Länder mit weiter Tollwutverbreitung (Indien, Thailand, tropisches Afrika, Mittel- und Südamerika u. a.) ist eine vorbeugende Impfung vor allem dann zu erwägen, wenn ein längerer Aufenthalt oder ein Abenteuerurlaub geplant ist. Im einzelnen empfiehlt die WHO die Impfung für Reisende, wenn sie
a) in einem Land mit Tollwutvorkommen - selbst kurzfristig - arbeiten und dabei einem besonderen Risiko ausgesetzt sind;
b) sich längerfristig (länger als einen Monat) in einem Land mit ständiger Tollwutgefährdung aufhalten oder
c) in einem solchen Land - für kürzere oder längere Zeit - entlegene Regionen ohne medizinische Versorgungseinrichtungen bereisen.

Die präexpositionelle Impfung besteht aus 3 Injektionen an den Tagen 0 - 7 - 21 (28); Seit April 2019 hat die WHO eine neue Empfehlung zur Tollwutimpfung herausgegeben; danach sind nur noch 2 Impfungen (Tag 0 und 7) erforderlich; diese Empfehlung wird aktuell von der STIKO nicht empfohlen und wurde bisher nicht in alle Fachinformationen aufgenommen, daher abhängig vom verwendetem Impfstoff ein "Off-Label-Use".

Postexpositionelle Impfung und Simultanprophylaxe

Personen, die von tollwutverdächtigen oder tollwütigen Tieren gebissen worden sind, oder Personen, bei denen durch Kontakt mit diesen Tieren die Gefahr einer Tollwutinfektion besteht, sind unverzüglich zu impfen und simultan mit Tollwut-Immunglobulin (humanen Ursprungs) oder Tollwut-Immunserum (tierisches Serum, in Entwicklungsländern oft als einziges verfügbar) zu behandeln.
Erfolgt ein Biss von einem tollwutverdächtigen Tier, muss sofort ein Arzt aufgesucht werden - auch im Urlaub! Stehen im entsprechenden Land die neuen, gut verträglichen Zellkultur-Impfstoffe noch nicht zur Verfügung, sollte sofort nach der Erstbehandlung (Impfung + eventuell Immunserum) der Urlaub abgebrochen und die Rückreise nach Europa angetreten werden, damit dort unverzüglich eine komplette Tollwutimpfung mit einem modernen Impfstoff begonnen werden kann. Die alten, früher auch bei uns gebräuchlichen Impfstoffe aus Nervengewebe verursachen häufig neurale Komplikationen und sind daher nur noch, wenn unabdingbar, empfehlenswert.

Eine vollständige Impfbehandlung mit den modernen Impfstoffen besteht nach Exposition aus entweder insgesamt 5 i. m.-Injektionen an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28 (Essen-Schema).
oder 2 Mal am Tag 0 (je 1 Impfung rechts sowie links) und 1 Mal am Tag 7 und 21 (Zagreb-Schema). Genaueres siehe Fachinformation der Hersteller.
Eine Schwangerschaft oder Stillen stellen keine Kontraindikation zur Tollwutimpfung dar. Die Impfung nach Exposition muß auf jeden Fall durchgeführt werden, da die Erkrankung sonst tödlich verläuft.

bei weiterer Exposition: Auffrischimpfung abhängig vom verwendetem Impfstoff, siehe Fachinformation! Serologische Untersuchungen zum Nachweis eines Antikörpertiters
≥ 0,5 I.E./ml zur Überprüfung der Notwendigkeit von Auffrischimpfungen sollten entsprechend den offiziellen Empfehlungen durchgeführt werden.

Name: Rabipur

  • Hersteller: Bavarian Nordic
  • Impfstoff gegen: Tollwut
  • Typ: Totimpfstoff
  • Ab: Geburt
  • Bis: ohne Altersgrenze
  • Dosierung:

    Präexpositionelle Prophylaxe
    Grundimmunisierung:
    Konventionelles Schema: 3 mal 1 ml i. m. an den Tagen 0, 7, 21 (oder 28)
    Schnellschema (zugelassen nur für Erwachsene von 18 bis 65 Jahren): 3 mal 1 ml i. m. an den Tagen 0, 3 und 7
    Auffrischimpfungen: i.d.R. alle 2 bis 5 Jahre oder ggf. nach Titerkontrolle entsprechend den offiziellen Empfehlungen (STIKO: Auffrischimpfung bei ‹ 0,5 IE/ml Serum indiziert).

    Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat im April 2018 eine neue Empfehlung zur Tollwutimpfung herausgegeben. Gemäß dieser Empfehlung sind nur noch 2 Impfungen (Tag 0 und 7) erforderlich, um einen ausreichenden Schutz gegen Tollwut zu erhalten.
    Hierzulande ist dieses Schema bei Rabipur nicht zulassungskonform und erfordert eine besondere Aufklärung (off-label-use).

    Postexpositionelle Prophylaxe
    Für zuvor geimpfte Personen: 2 Dosen an Tagen 0 und 3, Tollwut-Immunglobulin ist in solchen Fällen nicht indiziert.
    Für zuvor ungeimpfte Personen:
    Essen-Impfschema (5 Dosen i. m.) an den Tagen: 0, 3, 7, 14, 28
    Zagreb-Impfschema (4 Dosen i. m.) am Tag 0: 2 Dosen, Tag 7 und 21 je eine Dose (nur für immunkompetente Personen)
    Verkürztes Essen-Impfschema (4 Dosen i. m.) an den Tagen 0, 3, 7, 14 (nur für immunkompetente Personen, vorausgesetzt sie erhalten Tollwut-Immunglobulin im Fall von Expositionen der Kategorie III und II, Fachinformation beachten!)

Name: Tollwut-Impfstoff (HDC) inaktiviert

  • Hersteller: Sanofi Pasteur Europe
  • Impfstoff gegen: Tollwut
  • Typ: Totimpfstoff
  • Ab: Geburt
  • Bis: ohne Altersgrenze
  • Dosierung:

    März 2024: Nur noch Restbestände vorhanden, Herstellung wird eingestellt!

Name: Verorab

  • Hersteller: Sanofi Pasteur Europe
  • Impfstoff gegen: Tollwut
  • Typ: Totimpfstoff
  • Ab: ab Geburt
  • Bis: ohne Altersgrenze
  • Dosierung:

    Präexpositionelle Prophylaxe
    Grundimmunisierung: 3 mal 0,5 ml i. m. an den Tagen 0, 7 und 28 (oder 21) Auffrischimpfungen werden auf Grundlage des Expositionsrisikos sowie serologischer Tests zum Nachweis Tollwutvirus-neutralisierender Antikörper (≥ 0,5 I. E./ml) festgelegt.

    Postexpositionelle Impfschema bei vollständig geimpften immungesunden Personen:
    2 mal 0,5 ml i. m. an den Tagen 0 und 3; keine Gabe von Immunglobulin nötig.

    Postexpositionelle Impfschema bei nicht oder nur unvollständig geimpften Personen:
    Essen-Impfschema: 5 mal 0,5 ml i. m. an den Tagen 0, 3, 7, 14 und 28.
    Zagreb-Impfschema: 2 mal 0,5 ml an Tag 0 (kontralateral), 1 Dosis an Tag 7 und 21.
    Je nach Expositionsgrad ist eine passive Immunisierung mit Tollwut-Immunglobulin nötig. Bitte Fachinformation beachten!
    Es liegt eine Zulassung zur intradermalen Gabe (1 ml) bei der PEP vor, dazu existiert aber keine STIKO-Empfehlung!

Zielgruppe: MigrantenInnen, die Freunde oder Verwandte im Ausland besuchen (Visiting Friends and Relatives, VFR)

(Quelle: RKI - Empfehlungen der STIKO zu Reiseimpfungen; 04.2021): Das Risiko kann durch häufigen und engen Kontakt mit Tieren höher sein als bei Touristen. VFR sollten bei einem erhöhten Expositionsrisiko präexpositionell geimpft werden.

Zielgruppe: Personen mit angeborener oder erworbener Immundefizienz

Das verkürze präexpositionelle Impfschema gegen Tollwut der WHO wird für Immunsupprimierte explizit nicht empfohlen.

Zielgruppe: Säuglinge, Kinder und Jugendliche

(Quelle DTG 2020) Insbesondere Kleinkinder und Kinder sollten großzügig geimpft werden, da sie oft den Kontakt zu Tieren suchen, gleichzeitig unter Umständen über Risikokontakte aber nicht immer berichten (können).

Zielgruppe: Schwangere und Stillende

(Quelle DTG 2020) Bei Schwangeren empfehlen die Hersteller eine Nutzen-Risiko-Abwägung für die präexpositionelle Impfung; für die postexpositionelle Tollwutprophylaxe bei Schwangeren und Stillenden bestehen keine Einschränkungen.